Anfängerglück? Ach nee!

Als Abonnenten meines AMK Newsletters freut ihr euch nun über einen Kriminalfall, der sich sicherlich schon öfter so oder ähnlich zugetragen hat, der aber noch nie schriftstellerisch durchleuchtet und ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt wurde: Lotto!

 

Nicht nur in Deutschland zieht der staatliche Lizenzgeber den Bürgern mit legalem Glücksspiel das Geld aus der Tasche. Und doch kann man mit sechs Richtigen ... aber lest selbst!

 

Seit November 2022 erhältlich überall, wo's Bücher gibt,

 

Die Glücksfee lässt nicht nur in Schmunzelmord 2 euch Leserinnen und Lesern mit Vergnügen beobachten, wie sie ihren Kunden den Stin... äh, Mittelfinger zeigt, sondern hoffentlich auch im nächsten Jahr den Lesern des Pohlmann-Verlags in dessen dann erscheinender Anthologie. Falls die (abgewandelte) Geschichte eben das Siegertreppchen beim Schreibwettbewerb erklimmt.


Die Glücksfee

 

Überflüssig war das Banner mit der Aufschrift »Neueröffnung« schon, denn niemand hatte beobachtet, wo der Bauwagen herkam oder wer ihn gebracht hatte. Seit dem  Morgen erst stand  er am Straßenrand auf der kleinen Kiesfläche kurz vor der Ortsausfahrt von Haimhausen in Richtung der B13 nach München. Und ganz treffend war die Bezeichnung »neu« wohl nicht, denn auf den zweiten Blick erkannte ein Betrachter den wohl erst kürzlich aufgebrachten Anstrich, der sich an manchen Stellen von dem alten durchscheinenden Grau nicht  abhob. Sicherlich aber neu war an der Seite die große, tief herunter reichende Öffnung, die nicht mit Fensterländen zu verschließen war, sondern mit einer Klappe. Derzeit war die Klappe aufgestellt und bot ausreichend Schutz gegen die hoch stehende Mittagssonne, und das Fensterbrett  teilten sich die Tageszeitungen mit einigen Illustrierten. Stimmig war aber das nicht zu übersehende gelbe Schild mit dem bekannten Text »Lotto - Toto«.

 

»Und Sie brauchen wirklich keine weiteren Angaben wie Kontonummer, PIN und so?«

»Gewiss nicht, Herr Brunner! Heutzutage wird der Lottozettel am Computer ausgefüllt, und Ihre Zahlen habe ich eben der Lottozentrale übers Internet mitgeteilt. Bezahlen wollen Sie ja immer noch bar. Mit Ihrem Namen und der Anschrift habe ich Ihnen die Spielernummer vergeben können, an der die Zentrale Sie erkennt und bei einem größeren Gewinn benachrichtigt. Kleine Gewinne können Sie bei mir abholen. Hier ist Ihr Beleg. Und nun feiern Sie noch ein wenig mit uns die Eröffnung und nehmen sich ein Bier.«

Brunner löst seinen kurzen Blick von dem Plastikschildchen mit dem Namen der Kioskbetreiberin, deren Handynummer und den Öffnungszeiten. »Danke, Frau Müller, das mache ich gern. Und es ist schön, dass wir jetzt hier auch eine Lottoannahmestelle haben. Aber lohnt das denn für Sie, wenn Sie nicht jeden Tag da sind und auch nur stundenweise geöffnet haben? Oder betreibt dann Ihr Mann den Kiosk? «

»Mein Mann hilft mir nur heute am Eröffungstag, dafür hat er Urlaub genommen. Und was meine Zeiten anbelangt: Es muss. Das sind eben die Stunden, die meine Schwiegermutter auf den Kleinen aufpassen kann, wenn er nicht im Kindergarten ist. Außerdem ist der Platz so günstig, dass jeder morgens im Berufsverkehr kurz anhalten und seine Zahlen tippen kann. Theoretisch ist das ganze Dachauer Hinterland mein Einzugsgebiet.«

»Dann wünsche ich Ihnen dafür mal viel Erfolg.« Verschmitzt kichert Brunner. »Und das Bier verkaufen Sie den Autofahrern als Wegzehrung, wie?«

»Nee, ich will doch der Schlosswirtschaft keine Konkurrenz machen. Außerdem habe ich dafür gar keine Lizenz, sonder nur für Lotto und Zeitschriften. Ach, weil wir uns ja wohl öfter sehen: Nennen Sie mich ruhig Marlies!«

Kurz schaut Brunner auf den Lottobeleg in seiner Hand, bevor er ihn in seine Jackentasche schiebt. Schüchtern grinst er sein Gegenüber an. »Marlies, ich hoffe, sind Sie meine Glücksfee.« Nach einem kräftigen Händedruck und mit einem halblaut vorgebrachten »I bin der Sepp« greift Brunner ein Bier aus dem Kasten und gesellt sich zu seinen Freunden an dem kleinen Stehtisch.

 

»Es ist zum Haareraufen! Da stelle ich mich einen halben Tag an den Bauwagen, kein Autofahrer hält, weil der Kiosk am Vortag noch nicht da stand und sie deshalb nicht zehn Minuten früher losgefahren sind. Mittags kommt dann mein erster Lottokunde, und der tippt gleich sechs Richtige! Wenn er sich wundert, dass er seine Gewinnbenachrichtigung nicht bekommt, und wenn er sieht, dass der Bauwagen nicht mehr da steht, haben wir gleich die Polizei am Hals.« 

»Nun komm wieder runter! Freilich wird der Brunner sich wundern. Und wütend wird er auch. Na und? Den Bauwagen haben wir letzte Nacht abgeholt. Deshalb kann der nicht untersucht werden, und folglich haben wir keine Spuren hinterlassen. Dich kennt man als Marlies Müller, und deinen richtigen Namen weiß niemand. Außerdem hast du etwas von nicht vorhandenen Kindern erzählt. Also kommt uns niemand auf die Schliche.« Tröstend legt er ihr den Arm um die Schulter und lacht sie aufmunternd an. »Ein Bankrott ist das auch nicht. Der Gewerbeschein hat gerade mal 60 Euro gekostet, die hattest du mit den Lottogebühren in den zwei Tagen bis zur Ziehung wieder reingeholt. Die Gebühren führen wir nicht ab. Wem auch, da uns die Lottozentrale ja gar nicht kennt! Und mal ganz ehrlich: Die übrigen Lottokioske laufen doch prächtig, oder etwa nicht?«

 

Nun geht mal schön tippen! Schreibt mir dann, wie viel ihr gewonnen habt, ich veröffentliche das im nächsten Newsletter. Was meint ihr, wie viele neue Freunde ihr dann auf einmal habt!

 

Und, falls ihr es noch nicht gemerkt habt: So ein Taschenbuch wie Schmunzelmord 2 wäre doch ein nettes Mitbringsel für alle Gelegenheiten, oder? Auch nicht teurer als der übliche Blumenstrauß oder die anonyme Flasche Wein - dafür aber von bleibender Erinnerung. Zumindest, wenn Ihr eine Widmung reinschreibt. Macht das mal auf dem Weinetikett! Seht ihr: Bringt nix.

 

Euer Michael